Kontakt Sie haben Fragen?
03/2025

Paul Berg: GoodJobs People Perspective – ist Sinnfindung in Krisenzeiten ein Luxusthema?

Diese Woche stieß ich beim Lesen des Gründerszene Magazins auf eine provokante Frage: Ist das Thema „Climate Tech”, also der Einsatz von modernen Technologien gegen den Klimawandel – und damit ein relevanter Hoffnungsträger der Impact Economy – tot? Die Argumentation: Zusätzlich zu branchenspezifischen Problemen, verlagern sich in den aktuellen Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und geopolitischer Spannungen die Prioritäten aller Akteur*innen. Statt langfristiger Nachhaltigkeitsziele rücken kurzfristige wirtschaftliche Herausforderungen in den Fokus – und das Thema Nachhaltigkeit kann sich hinten anstellen.  

Ähnliche Diskussionen erlebe ich auch in der Arbeitswelt. In Gesprächen mit HR-Verantwortlichen und anderen Entscheidungsträger*innen höre ich zunehmend Fragen wie: Haben wir in Krisenzeiten überhaupt noch Raum für Sinnfragen, oder zählt nur noch das nackte Überleben? Ist das Streben nach Sinnhaftigkeit im Job, das Thema Purpose, ein Luxus, den wir uns gerade nicht leisten können? Geht es jetzt nicht viel mehr um Stabilität, Jobsicherheit und Effizienz? Es ist unbestreitbar, dass sich in Zeiten wie diesen die Prioritäten verschieben. Sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer*innen richten ihren Blick verstärkt auf existenzielle Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Jobsicherheit und finanzielle Stabilität. Diese Veränderungen sind nicht nur verständlich, sondern oft auch notwendig. Doch es wäre ein großer Fehler, Purpose und Sinnfindung als bloße „Schönwetterthemen“ abzutun, die nur in wirtschaftlich stabilen Zeiten relevant sind. Überraschung: Gerade jetzt zeigt sich ihre wahre Stärke. 

Was ist nochmal Purpose? 

Um zu verstehen, warum Purpose oder Sinnfindung gerade jetzt so wichtig ist, lohnt es sich, einen erneuten Blick darauf zu werfen, was wir unter „Sinn“ oder „Purpose“ überhaupt verstehen. Es gibt keine allgemeingültige Definition – vielmehr gibt es unterschiedliche Konzepte, die den Sinn in der Arbeit aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Drei besonders relevante Ansätze sind zum Beispiel diese hier:  

  • Wissenschaftliche Modelle zur Sinnfindung: Psychologische und soziologische Forschungen zeigen, dass Sinn in der Arbeit stark mit Faktoren wie Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit zusammenhängt. Menschen fühlen sich motivierter und zufriedener, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit einen positiven Beitrag leistet und sie gleichzeitig ihre eigenen Stärken nutzen können. 
  • Impact-orientierte Ansätze: Hier steht die Frage im Mittelpunkt, welchen Beitrag man mit der eigenen Arbeit für Gesellschaft und Umwelt leistet. Gerade in einer Zeit, in der globale Krisen allgegenwärtig sind, kann ein solcher Purpose als starke intrinsische Motivation dienen. 
  • Ikigai: Das japanische Konzept beschreibt den Punkt, an dem sich vier zentrale Aspekte überschneiden: das, was man liebt, das, worin man gut ist, das, was die Welt braucht, und das, wofür man bezahlt werden kann. Ein starkes Ikigai gibt Menschen eine tiefere Zufriedenheit in ihrer Arbeit und einen langfristigen Antrieb. 

Wie wichtig ist die Sinnfindung in Krisenzeiten? 

Doch warum sollten wir uns ausgerechnet in wirtschaftlich turbulenten Zeiten mit Sinnfragen beschäftigen? Scheint für viele Menschen erstmal ein kontra-intuitiver Gedanke zu sein. Gibt es nicht drängendere Probleme? Tatsächlich gibt es viele Gründe, warum der Sinn der Arbeit gerade jetzt unverzichtbar bleibt – nicht nur für die persönliche Zufriedenheit der Arbeitnehmenden, sondern auch für die Resilienz und den langfristigen Erfolg von Unternehmen. Drei Gründe sind besonders hervorzuheben: 

  • Ein gemeinsamer Purpose macht Teams resilienter: In schwierigen Zeiten brauchen Teams eine starke gemeinsame Basis. Studien zeigen, dass Unternehmen, deren Mitarbeiter*innen sich mit einem gemeinsamen Sinn und Werten identifizieren, deutlich besser mit Krisen umgehen können. Purpose stärkt den Zusammenhalt, gibt Orientierung und hilft, auch unter Druck effektiv zusammenzuarbeiten. 
  • Sinnstiftende Arbeit steigert Motivation und Produktivität: Wer den Sinn in der eigenen Arbeit erkennt, ist motivierter, engagierter und produktiver. Eine weitere Untersuchung zeigt, dass Arbeitnehmer*innen, die ihre Arbeit als bedeutungsvoll empfinden, eine höhere Leistungsbereitschaft zeigen und kreativer in der Problemlösung sind. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen Effizienz und Innovationskraft entscheidend sind, ist das ein Schlüsselfaktor für Unternehmen. 
  • Purpose stärkt die Mitarbeiterbindung: In einer Zeit, in der viele Unternehmen mit Fachkräftemangel kämpfen, ist es wichtiger denn je, Kolleg*innen langfristig an sich zu binden. Ein klarer, glaubwürdiger Sinn, der auch kommuniziert und gefeiert wird, erhöht die Loyalität der Arbeitnehmer*innen und reduziert die Fluktuation. Wer das Gefühl hat, Teil von etwas Sinnstiftendem zu sein, bleibt eher – gerade in unsicheren Zeiten. Die aktuellste Xing-Studie zur Wechselbereitschaft von Bewerber*innen in Deutschland zeigt, dass trotz der angespannten Lage viele Menschen wechselwillig sind und das Thema Sinn bei der Jobwahl das Zünglein an der Waage sein kann.  

Fazit: Purpose als Nordstern in herausfordernden Zeiten 

Natürlich darf sich unsere persönliche Definition von Sinn in Krisenzeiten verändern. Es ist völlig legitim – ja sogar notwendig –, dass Aspekte wie Kostendruck, Jobsicherheit oder finanzielle Stabilität in den Vordergrund rücken können. Das heißt nicht, dass darin kein Sinn für uns liegen darf: Wer eine Familie zu ernähren hat oder als Unternehmen um seine Existenz bangt, wird diese Faktoren zu Recht als besonders sinnstiftend empfinden. Doch das bedeutet eben nicht, dass Purpose an Bedeutung verliert – Im Gegenteil: Es zeigt sich, dass gerade in turbulenten Zeiten ein klar definierter Sinn Orientierung gibt und sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer*innen stärkt. Der Sinn unserer Arbeit dient uns als Nordstern – eine Orientierungshilfe, die uns zeigt, wohin wir steuern wollen und warum unsere Arbeit wichtig ist. Für Arbeitgeber*innen bedeutet dies: Auch wenn wirtschaftliche Kompromisse manchmal unvermeidlich sind, sollten wir niemals den Fehler machen, das Thema Unternehmenssinn zu depriorisieren. Denn wer seinen Teams einen klaren Purpose vermittelt und ihnen zeigt, warum ihre Arbeit wertvoll ist – für das Unternehmen ebenso wie für die Gesellschaft –, wird auch in schwierigen Zeiten auf ihr Engagement zählen und weitere Talente anziehen können. In einer Welt voller Unsicherheiten bleibt Purpose der Kompass, der uns durch stürmische Gewässer führt. 

Zur Person:
Paul Berg
Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Kulturtheorie an der Zeppelin Universität am Bodensee, gründete Paul Berg 2016 die Online-Jobplattform GoodJobs. Seitdem hat sich GoodJobs zur größten Plattform für nachhaltige Jobs und eine Karriere mit Sinn in der DACH Region entwickelt. Die Mission: die motiviertesten Jobsuchenden mit den Unternehmen zusammenbringen, die die Welt positiv verändern. Seit 2024 ist GoodJobs Teil der ZEIT Verlagsgruppe.

Exklusive LiveTalks, die neuesten Podcast und mehr ...

Folgen Sie uns in der LinkedIn Community und profitieren Sie von exklusiven Inhalten zu HR-Themen.

LinkedIn Gruppe beitreten

Inspiration für unterwegs

Jederzeit und von überall am Puls bleiben. Lernen Sie neue Betrachtungsweisen auf die Employer Branding & Recruiting Welt kennen

Jetzt reinhören

Nicht lange suchen

Artikel, Podcasts, Videos und Studien zu HR-Themen: Kuratiert aus unserem Medienportfolio

Jetzt in ein Thema abtauchen

Fakten, Fakten, Fakten

Extrakte und Studien zu Employer Branding und Recruiting Themen

Jetzt mitreden
Alle Formate im Überblick: