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Rotraut Diwan - Zeit Talent Kolumne
03/2023

Rotraud Diwan: Diversity – Dauerbrenner statt Recruiting-Trend 

Passende Mitarbeiter:innen suchen und die besten möglichst lange begeistern ist und bleibt eines der Top-Themen für die meisten Organisationen¹. Der Markt scheint leer zu sein. Und in Ermangelung der bisher üblichen Kandidat:innen wird flächendeckend auf Zielgruppen geschielt, die bisher – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht fokussiert angesprochen wurden. Stichwort Diversity. Die Bundesregierung vermeldet stolz die Steigerung des Frauenanteils in Führungsebenen und Gremien², Bundesarbeitsminister Hubertus Heil möchte mehr Arbeitnehmer:innen jenseits der 60 in den Betrieben sehen³, Quereinsteiger:innen sind auf einmal nicht mehr die schnell aussortierten Exot:innen im Bewertungsstapel. Deutschland will attraktiver werden, nicht nur für IT-Expertinnen aus Indien. Eigentlich ein Traum, dass es endlich so weit ist. Dass Diversity nicht nur eine Genderfrage ist, sondern mehrere der sieben in der Charta der Vielfalt aufgezeigten Dimensionen berührt: Alter, Ethnische Herkunft & Nationalität, Geschlecht & geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion & Weltanschauung, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft.

Vielfalt als Aufgabe für die gesamte Organisation.

Die Vielfalt der beruflichen Qualifikationen kommt aus der HR-Perspektive als achte Dimension dazu: Die großen Beratungsunternehmen suchen schon länger ganz explizit nach Berufseinsteiger:innen aus den eher untypischen Studiengängen für die Rolle Junior-Consultant, zum Beispiel Naturwissenschaften, Psychologie, Pädagogik, Kunst. Menschen, die die Beratungsperspektive erweitern und dafür sorgen, dass den komplexen Herausforderungen der zu beratenden Organisationen auch Teams mit komplexen Fähigkeiten zur Seite stehen können. Das ist der Plan.  

Die Realität zeigt, dass schon das Recruiting eine schwierige Aufgabe ist. Die richtige Botschaft, der richtige Kanal, der richtige Zeitpunkt. Das aktuelle Arbeitgeberimage. All das muss stimmen, damit die gewünschte Person überhaupt auf das Angebot reagieren kann, sich bewerben kann. Nehmen wir mal an, das gelingt. Der Knackpunkt liegt – wie fast immer beim Thema Employer Branding – innerhalb der Organisation. Bleiben wir beim Beispiel Bewerbung. Da schauen immer noch zu viele Menschen mit ihrer üblichen Bewertungs-Brille auf die Bewerber:innen und tun sich schwer mit der Vorstellung, das »anders sein« in den Arbeitsalltag zu integrieren. Es muss aber sichergestellt sein, dass die divers rekrutierten Personen teilhaben und beitragen können, dass ihre Perspektiven gehört und wertgeschätzt werden. Sonst sind sie noch während der Probezeit wieder weg. Alternativen gibt es ja Zurzeit. 

Den Umgang mit »anders« lernen. Eine Aufgabe für alle.

Wenn eine Organisation »bunt« sein will, muss sie lernen, mit dem »anders sein« umzugehen. Da kommt jemand und denkt anders, spricht anders, verhält sich anders, nutzt andere Methoden oder Tools. »Anders« ist in unseren Gehirnen auch nach Jahrtausenden kultureller Entwicklung noch immer als mögliche Gefahrenquelle abgespeichert. Daher sind alle auch noch so ambitionierten Diversity, Equity & Inclusion (D,E & I) Initiativen zunächst einmal eine Aufgabe zur Selbstreflexion innerhalb der Organisation. Die Wahrnehmung des »anders« sollte sofort die Frage nach meinem »normal« aufwerfen. Diese Frage gilt es zu beantworten. In jedem Team, für jede Führungskraft, für jede Person. Es gilt, die eigenen Vorurteile zu reflektieren. Und »anders« einfach mal stehen zu lassen. Es ist weder besser noch schlechter. Einfach anders.   

Wenn Menschen in Organisationen – hier vor allem die Führungskräfte – damit anfangen, »anders« als Inspirationsquelle zu verorten, entstehen bessere Lösungen für die operativen Herausforderungen. Diese Theorie ist durch zahlreiche Studien untermauert. Ganz nebenbei springen dabei auch spannende Geschichten für die externe Employer Branding Kommunikation heraus, zum Beispiel fürs Recruiting. Denn genau das ist es ja, was Organisationen brauchen: Stories jenseits der generischen Themen, die auch alle anderen versprechen.

Zur Person:
Rotraud Diwan
Die erfahrene Markenexpertin und Verantwortliche für die strategisch-inhaltliche Arbeit bei Hi! Employer Strategies bringt über 20 Jahre Erfahrung im Kontext Employer Branding mit und verbindet Markentheorie mit HR, Transformation und Organisations-Design. Sie versteht die Entwicklung einer Arbeitgebermarke nicht als Ziel, sondern als einen der relevanten Ausgangspunkte zum konsequenten Umdenken im Unternehmen.
*https://www.gartner.de/de/artikel/worauf-wird-sich-hr-2023-konzentrieren (abgerufen 22.2.2023) **https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0111_FuePoG.html (abgerufen 22.2.23) ***https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-12/fachkraeftemangel-hubertus-heil-renteneintrittsalter (abgerufen 22.2.23)

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